20 Jahre Streit um Urlaubsabgeltung

Bundesverfassungsgericht rügt überlange Verfahrensdauer

Karlsruhe (jur). Über 20 Jahre Streit um Urlaubsabgeltung und weiteren Lohn – das ist auf jeden Fall zu lang. Das hat das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe in einem aktuell veröffentlichten Beschluss vom 5. August 2013 klargestellt (Az.: 1 BvR 2965/10). Als Konsequenz steht einem Redakteur eine Entschädigung zu.

Er war 1988 krankheitsbedingt und 1994 dann nochmals betriebsbedingt entlassen worden. Gegen beide Kündigungen wehrte er sich mit einer Kündigungsschutzklage. Zudem verlangte er bereits 1988 eine finanzielle für Abgeltung nicht genommenen Urlaub, die Erstattung von Umzugs- und Reisekosten sowie eine Abfindung.

Die Kündigungsschutzverfahren dauerten beide jeweils 14 Jahre. Das Erste endete 2002 mit einem Sieg für den Redakteur, das Zweite dagegen verlor er endgültig 2008.

Im dritten Streit um noch ausstehenden Lohn meinten das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht (LAG) München mehrfach, die Kündigungsschutzverfahren seien „vorgreiflich“. Dreimal setzten sie daher das Verfahren aus und warteten die Kündigungs-Urteile ab. Erst im September 2009 gab das LAG der Lohnklage des Redakteurs teilweise statt.

Das war reichlich spät, das Recht des Redakteurs auf effektiven Rechtsschutz wurde verletzt, befand nun das Bundesverfassungsgericht. Gerade in arbeitsrechtlichen Streitigkeiten wolle der Gesetzgeber ein möglichst schnelles Verfahren erreichen. Die Gerichte hätten das Verfahren nicht immer wieder aussetzen dürfen. Auch wenn der Redakteur dem teilweise zugestimmt habe, sei es Aufgabe der Gerichte, die Verfahrensdauer im Blick zu haben und ein zügiges Gerichtsverfahren zu gewährleisten.

Allein die drei Aussetzungen hätten zu einer Verzögerung von zwölf Jahren geführt, rechneten die Karlsruher Richter vor. Vor diesem Hintergrund falle es nicht mehr ins Gewicht, dass teilweise auch der Redakteur zu Verzögerungen beigetragen habe – etwa durch veränderte Klageanträge, Befangenheitsanträge und mehrfachen Anwaltswechsel.

Seit 3. Dezember 2011 besteht in Deutschland ein gesetzlicher Entschädigungsanspruch für überlange Gerichtsverfahren. Zuvor zahlte Deutschland Entschädigungen nur nach einem entsprechenden Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg.

Dem Redakteur hatte der EGMR 2001 schon Schadenersatz wegen überlanger Dauer des ersten Kündigungsschutzverfahrens zugesprochen. Doch im Lohn-Streit habe nicht einmal die EGMR-Entscheidung den Arbeitsgerichten die „gesteigerte Eilbedürftigkeit“ deutlich gemacht, rügte das Bundesverfassungsgericht.



© www.tw-ratingen.de   Mittwoch, 25. September 2013 08:58 TW-Redaktion
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