
BAG legt Streit dem Europäischen Gerichtshof vor
Ob und unter welchen Voraussetzungen private Arbeitgeber ihren Mitarbeiterinnen das Tragen eines muslimischen Kopftuchs verbieten dürfen, bleibt weiter offen. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt fragte am Mittwoch, 30. Januar 2019, beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) an, ob ein im Grundsatz zulässiges allgemeines Verbot religiöser Symbole immer wirksam ist, oder ob auch dann noch ein Spielraum für die Abwägung mit der Religionsfreiheit bleibt (Az.: 10 AZR 299/18).
Im Fall einer Rezeptionistin aus Belgien und einer IT-Ingenieurin aus Frankreich hatte der EuGH im März 2017 entschieden, dass private Arbeitgeber das Tragen religiöser oder weltanschaulicher Zeichen grundsätzlich verbieten dürfen (Urteil und JurAgentur-Meldung vom 14. März 2017, Az.: C-157/15 und C-188/15). Zwar sei auch am Arbeitsplatz eine Diskriminierung wegen der Religion oder der Weltanschauung verboten. Ein allgemeines Verbot weltanschaulicher und religiöser Zeichen am Arbeitsplatz sei aber keine unmittelbare Diskriminierung, wenn der Arbeitgeber dies neutral und diskriminierungsfrei durchsetzt. Im Einzelfall könne aber eine indirekte Diskriminierung vorliegen, wenn ein solches Verbot faktisch nur eine bestimmte Gruppe, etwa Muslima, trifft.
In dem nun vom BAG zu entscheidenden Fall hatte eine Drogeriemarkt-Kassiererin geklagt. Als sie aus einer Elternzeit zurückkam, wollte sie ein muslimisches Kopftuch tragen. Ihr Arbeitgeber verbot dies unter Hinweis auf die Kleiderordnung des Unternehmens. Diese verbiete allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Kundenkontakt „Kopfbedeckungen aller Art“. Generell seien die knapp 15.000 Mitarbeiter aus 88 Nationen zudem verpflichtet, „auf auffällige Symbole aller Art zu verzichten“.
Das Landesarbeitsgericht Nürnberg hatte der Muslima recht gegeben (Urteil vom 27. März 2018, Az.: 7 Sa 304/17; JurAgentur-Meldung vom 26. April 2018). Arbeitgeber müssten bei einem solchen Verbot ihre eigenen Belange mit der Religionsfreiheit abwägen. Kundenbeschwerden über die Kassiererin habe es nicht gegeben.
Gestützt auf das Grundgesetz und die Europäische Menschenrechtskonvention schließt auch das BAG offenbar nicht aus, das eine Abwägung zwischen Unternehmens- und Religionsfreiheit hier zugunsten der Kassiererin ausfallen könnte. Vom EuGH wollen die Erfurter Richter daher wissen, ob dessen Urteil aus 2017 bei einem allgemeingültigen Verbot weltanschaulicher Symbole überhaupt noch einen Spielraum für eine solche Abwägung lässt.