3,40 Euro je Stunde sind sittenwidriger Hungerlohn

LAG Berlin: Pizzeria muss Jobcenter 5.744 Euro Schadenersatz zahlen

Eine Bezahlung von nur 3,40 Euro je Stunde ist ein sittenwidriger „Hungerlohn“. Das hat das Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg in Berlin zu einer Pizzafahrerin vor Einführung des gesetzlichen Mindestlohns entschieden (Az.: 15 Sa 2258/15). Nach dem, am Freitag, 22. April 2016, bekanntgegebenen Urteil vom 20. April 2016 muss der Pizzeria-Betreiber dem örtlichen Jobcenter 5.744 Euro überzahlte Hartz-IV-Leistungen erstatten.

Die Pizzafahrerin arbeitete seit 2001 je nach Bedarf 35 bis 40 Stunden im Monat. Dafür erhielt sie pauschal 136 Euro. Weil das zum Leben nicht reichte, war die Frau ergänzend auf Hartz-IV-Leistungen angewiesen.

Das Jobcenter machte geltend, die Vergütung sei sittenwidrig niedrig. Würde der Pizzeria-Betreiber seine Ausfahrerin vernünftig bezahlen, müsste das Jobcenter geringere sogenannte Aufstockerleistungen erbringen. Mit seiner Klage forderte das Jobcenter Schadendersatz für die so überhöhten Zahlungen für die Jahre 2011 bis 2014 – also bis zur Einführung des Mindestlohns Anfang 2015.

Dem ist das LAG Berlin gefolgt. Die Vergütung bedeute einen Stundenlohn von nur 3,40 Euro. Dies sei schlicht ein „Hungerlohn“, der selbst bei einer Vollbeschäftigung zum Leben nicht reiche. Die Vereinbarung von Hungerlöhnen aber sei sittenwidrig und damit unwirksam.

Stattdessen hätte die Pizzafahrerin Anspruch auf die vor Ort „übliche Vergütung“ gehabt. Dies seien 2011 6,77 und 2014 schließlich 9,74 Euro gewesen. Insgesamt errechne sich so ein Betrag von 5.744 Euro.

2014 hatte das LAG Berlin bereits einem Rechtsanwalt eine sittenwidrige und „verwerfliche Gesinnung“ vorgeworfen, der zwei Bürohilfen nur zwei Euro pro Stunde gezahlt hatte (Urteil vom 7. November 2014, Az.: 6 Sa 1148/14 und 6 Sa 1149/14; JurAgentur-Meldung vom 12. November 2014). Einen Stundenlohn von 3,40 Euro hatte im Fall einer Schulbusbegleiterin auch das LAG Düsseldorf als sittenwidrig verworfen (Urteil vom 19. August 2014, Az.: 8 Sa 764/13; JurAgentur-Meldung vom 23. Dezember 2014).


© www.tw-ratingen.de   Sonntag, 24. April 2016 21:17 TW-Redaktion
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