Andauernde Diskriminierung kann auch Mobbing sein

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BAG: Arbeitnehmer haben dann deutlich länger Zeit für Klage

Diskriminierung und Mobbing schließen sich nicht aus. Liegt beides vor und haben Arbeitnehmer die gesetzliche Zwei-Monats-Frist für Diskriminierungsklagen verpasst, können sie noch bis zu drei Jahre lang Entschädigungsansprüche wegen Mobbings geltend machen, entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG) in einem kürzlich veröffentlichten Urteil vom 18. Mai 2017 (Az.: 8 AZR 74/16). Die Frist fängt dann ab der zuletzt erlittenen Mobbinghandlung an zu laufen, so die Erfurter Richter.

Im konkreten Fall ging es um eine teilzeitbeschäftigte Verwaltungsangestellte aus dem Raum Bonn, die seit April 2000 in einem diakonischen Senioren- und Pflegeheim tätig ist. Zur ihren Aufgaben gehörten die Bearbeitung von Anträgen zur Heimaufnahme, die Beratung über die Finanzierung des Heimaufenthaltes, die Datenaktualisierung, Sekretariatsarbeiten oder auch die Korrespondenz mit Kranken- und Pflegekassen. Die 1954 geborene Frau ist mit einem Grad der Behinderung von 100 als Schwerbehinderte anerkannt.

Am 20. April 2010 hatte sie sich von ihrem Arbeitgeber ein Zwischenzeugnis ausstellen lassen. Darin wurden ihr gute bis sehr gute Leistungen bescheinigt.

Doch als die diakonische Einrichtung einen neuen Leiter bekam, fingen die Probleme an. Die Frau sollte nicht nur in ein anderes Büro umziehen, per Dienstanweisung vom 15. November 2010 ordnete der neue Chef an, dass sie nur noch die Bewohnerakten nach einem bestimmten Schema aufarbeiten sollte. Zwei Wochen später wurde sie angewiesen, zukünftig an der Rezeption Dienst zu tun. Es folgte eine schriftlich Ermahnung wegen falscher Einträge bei der Bearbeitung der Bewohnerakten.

Ab dem 13. Dezember 2010 war die Frau durchgängig wegen einer Depression erkrankt. Sie meint, wegen ihres Alters und ihrer Behinderung sei sie diskriminiert und gemobbt worden. Die Frau legte schließlich am 5. Februar 2013 Klage ein und verlangte eine Entschädigung und Schmerzensgeld von insgesamt 60.000 Euro. Zusätzlich müsse die Einrichtung noch Schadenersatz für entgangenen Lohn zahlen.

Die Klägerin gab mit einer umfangreichen Liste an, wann sie konkret „fortlaufend wegen ihrer Behinderung und ihres Alters diskriminiert worden“ sei. Sie sei mit falschen Vorwürfen über ihre Arbeitsleistung konfrontiert, angeschrien und von ihren eigentlichen Aufgaben entbunden worden. Alle Beschäftigten sollten ihre Fehler an den Einrichtungsleiter melden. Niemand habe mehr mit ihr gesprochen. Am 7. November 2012 habe sie ein unzutreffend schlechtes Zwischenzeugnis erhalten, was ebenfalls auf eine Diskriminierung und Mobbing hinweise.

Der Arbeitgeber bestritt eine Diskriminierung wegen des Alters oder der Behinderung. Auch Mobbing habe es nicht gegeben. Die Frau könne zudem keine Ansprüche geltend machen, weil sie hierfür die im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) vorgesehene zweimonatige Klagefrist nicht eingehalten hat.

Die Klägerin hielt die Zweimonatsfrist mit EU-Recht nicht für vereinbar. Denn dadurch würden Entschädigungsklagen erschwert oder gar verhindert.

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln wies die Klage ab. Die Frau habe die nach dem AGG vorgesehene Klagefrist von zwei Monaten verpasst.

Das BAG hob diese Entscheidung nun auf und verwies das Verfahren zurück. Nicht zu beanstanden sei aber, dass das LAG die zweimonatige Frist für Diskriminierungsklagen mit EU-Recht im Einklang gesehen hat. Werden Beschäftigte wegen ihrer Behinderung, ihres Alters, der ethnischen Herkunft, der Rasse, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung oder der sexuellen Identität benachteiligt, kann ihnen eine Diskriminierungsentschädigung zustehen.

Dabei gelte eine erleichterte Beweisführung. Es reiche aus, dass der Arbeitnehmer Indizien für eine Diskriminierung vorbringt. Der Arbeitgeber könne diese dann nur mit Gegenbeweisen entkräften. Die kurze Zweimonatsfrist für eine Diskriminierungsklage sei wegen der Beweiserleichterungen gerechtfertigt und auch hinnehmbar, da die Frist erst mit der Kenntnis des Verstoßes anfange zu laufen.

Hier habe die Klägerin die Ausschlussfrist für eine Diskriminierungsklage nicht eingehalten. Sie habe aber auch nicht ausreichend dargelegt, warum die einzelnen Vorfälle eine Diskriminierung wegen ihres Alters oder ihrer Behinderung darstellen. Nur weil Beschäftigte eine Benachteiligung erfahren, müsse dies nicht wegen des Alters oder der Behinderung geschehen.

Die Zweimonatsfrist für Diskriminierungsklagen gelte jedoch nicht für Mobbing. Für erlittenes fortlaufendes Mobbing haben Arbeitnehmer vielmehr drei Kalenderjahre Zeit, um Entschädigungsansprüche vor Gericht einzufordern. Die Verjährungsfrist fange ab der letzten vorgebrachten Mobbinghandlung an zu laufen. Bei Mobbing reichen Indizien als Beleg aber nicht aus, so das BAG. Vielmehr müssten konkrete Beweise vorgelegt werden.

Inwieweit die Klägerin gemobbt wurde, muss nun das LAG erneut prüfen. In jedem Fall habe die Frau die hierfür vorgesehen Klagefrist von drei Kalenderjahren eingehalten, stellten die obersten Arbeitsrichter fest.

Dass für Klagen wegen Mobbings die allgemeine Verjährungsfrist von drei Kalenderjahren gilt, hatte das BAG bereits am 11. Dezember 2014 geurteilt (Az.: 8 AZR 838/13). Selbst wenn ein Arbeitnehmer erst einmal wartet und die Dreijahresfrist deutlich ausschöpft, sei dies nicht „treuwidrig“.


 



© www.tw-ratingen.de   Freitag, 3. November 2017 13:36 TW-Redaktion
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