
Seit dem 30.12.2016 wurde als zusätzliches Wirksamkeitserfordernis für eine Kündigung schwerbehinderter und gleichgestellter Menschen auch die Anhörung der Schwerbehindertenvertretung statuiert (Lingemann/Steinhauser, NJW 2017, 1369 unter II.). Der neu eingeführte § 95 Abs. 2 Satz 3 SGB IX in der bis zum 31.12.2017 gültigen Fassung bestimmt, dass die Kündigung eines schwerbehinderten oder gleichgestellten Menschen, die der Arbeitgeber ohne eine Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung nach Satz 1 ausspricht, unwirksam ist. Die Unwirksamkeitsfolge tritt auch bei einer fehlerhaften Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung ein, weil in diesem Fall ebenfalls keine Beteiligung nach Satz 1 vorliegt.
Weil die arbeitsrechtlich relevante Neuregelung als Teil der „Reformstufe 1“ bereits zum 31.12.2016 am Tag nach Verkündung des Bundesteilhabegesetzes (BTHG) in Kraft getreten ist, hat die Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung seitdem im Kündigungsschutzprozess Relevanz. Denn die in § 178 Abs. 2 Satz 3 SGB IX ab dem 01.01.2018 neu aufgenommene individualrechtliche Sanktionsregelung gilt nach § 95 Abs. 2 Satz 3 SGB IX in der Fassung vom 23.12.2016 bereits seit dem 30.12.2016
Inzwischen liegt die erste veröffentlichte Entscheidung aus Nordrhein-Westfalen zu der Problematik vor. Das Arbeitsgericht Hagen hat in der Entscheidung die Unwirksamkeit der ausgesprochenen (Änderungs-)Kündigung wegen nicht ordnungsgemäßer Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung gem. § 95 Abs. 2 Satz 3 SGB IX (nunmehr: § 178 Abs. 2 Satz 3 SGB IX) festgestellt (Arbeitsgericht Hagen v. 06.03.2018 - 5 Ca 1902/17 -, DB 2018, 1600). Das Urteil ist nicht rechtskräftig (Berufung beim LAG Hamm: Az. 15 Sa 426/18).
Durch das Arbeitsgericht wird die Auffassung vertreten, dass die Unterrichtung und Anhörung der Schwerbehindertenvertretung bereits abgeschlossen sein müssen, bevor der Antrag beim zuständigen Integrationsamt gestellt wird. Es schließt sich damit einer in der Literatur vertretenen Rechtsauffassung an und differenziert insoweit nicht zwischen der Phase der Unterrichtung und der Anhörung. Auf die ebenfalls in der Literatur geäußerte gegenteilige Auffassung, wonach es auch möglich sein soll, zeitgleich mit dem Absenden des Antrags auf Zustimmung zur Kündigung gegenüber dem Integrationsamt die Schwerbehindertenvertretung umfassend über die Kündigungsabsicht zu unterrichten geht das Arbeitsgericht nicht ein.
Für Arbeitgeber ist dringend anzuraten, die Schwerbehindertenvertretung tatsächlich bereits vor Einreichung des Antrages auf Zustimmung zur Kündigung beim Integrationsamt zu unterrichten und anzuhören - zumindest, bis das BAG hierzu eine eindeutige anderslautende Entscheidung getroffen hat.