Bundesarbeitsgericht (BAG):
Arbeitnehmer kann nicht zur Steuererklärung mittels eines bestimmten Steuerberaters verpflichtet werden
Urteil vom 23.08.2012 – 8 AZR 804/11
(LAG Hessen)
Amtlicher Leitsatz:
Eine arbeitsvertragliche Vereinbarung, der zufolge der Arbeitnehmer seine Steuererklärung durch eine vom Arbeitgeber beauftragte Steuerberatungsgesellschaft erstellen lassen muss, benachteiligt den Arbeitnehmer als allgemeine Geschäftsbedingung unangemessen, § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB.
Dem hier entschiedenen Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Arbeitgeber hat den verheirateten Arbeitnehmer in die USA entsandt. Die Arbeitsvertragsparteien haben für die Dauer dieser Entsendung eine Nettovergütung im Arbeitsvertrag vereinbart. In Bezug auf die Erstellung der Steuererklärungen des Arbeitnehmers haben die Arbeitsvertragsparteien in dem Arbeitsvertrag folgende durch den Arbeitgeber vorgegebene bzw. vorformulierte Regelung aufgenommen:
„Das Unternehmen übernimmt für die Dauer der Entsendung die Kosten für die Steuererklärung des Mitarbeiters im Einsatzland sowie für die deutsche Steuererklärung im Jahr des Beginns der Entsendung und die deutsche Steuererklärung im Rückversetzungsjahr. Der Mitarbeiter ist hierbei zur Zusammenarbeit mit der vom Unternehmen zur Erstellung der Steuererklärung beauftragten Gesellschaft verpflichtet“.
Der Arbeitnehmer begehrt nunmehr mit seiner Klage die Feststellung, dass er eben nicht verpflichtet ist, seine Steuererklärung von einer durch den Arbeitgeber vorgegebenen Steuerberatungsgesellschaft erstellen zu lassen. Die Erstinstanzen (Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht) haben dieser Klage stattgegeben.
Begründung des BAG:
Das Bundesarbeitsgericht hat festgestellt, dass die oben beschriebene Klausel den Arbeitnehmer unangemessen im Sinne des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB benachteiligt. Vom Grundsatz her ist zwar ein Interesse des Arbeitgebers bejaht worden, die Steuererklärung eines ins Ausland entsandten
Arbeitnehmers durch eine ausgewählte Steuerberatungsgesellschaft erstellen zu lassen – Grund hierfür ist, dass der Arbeitgeber sicherstellen will, dass bei ggf. komplizierten grenzüberschreitenden Sachverhalten die Steuern zutreffend ermittelt werden. Allerdings besteht hier ein unzulässiger Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Arbeitnehmers, welches dem Arbeitnehmer und jedem einzelnen die Befugnis gewährt, selbst darüber zu entscheiden, wer die persönlichen Daten verwendet und an wen diese heraus
gegeben werden. Der Schutz der hier in Rede stehenden Daten ist zudem besonders
sensibel zu beurteilen - nach Aussage des BAG -, weil es sich eben um Steuerdaten handelt, die besonderen strafrechtlichen und als besondere Arten personenbezogener Daten im Sinne des § 3 Abs. 9 BDSG auch besonderen datenschutzrechtlichen Schutz unterliegen. Zudem erklärt das Bundesarbeitsgericht, dass es sich bei der Klausel zumindest mittelbar auch um einen Eingriff zu Lasten der Ehefrau des Arbeitnehmers handelt: Auch diese wäre nämlich im Falle einer gemeinsamen steuerlichen Veranlagung verpflichtet, die entsprechend vorgegebene Steuerberatungsgesellschaft zu beauftragen. Dieser Verpflichtung könnten sich die Eheleute nur entziehen, wenn sie auf ihr Recht (grundgesetzlich geschützt gem. Art. 6 Abs. 1 GG) zur gemeinsamen steuerlichen Veranlagung verzichten würden.
Die Interessen des Arbeitnehmers überwiegen daher im Rahmen einer Gesamtabwägung die Interessen des Arbeitgebers deutlich.
Anmerkung:
Das Urteil hat durchaus Praxisrelevanz, da immer mehr Unternehmen Arbeitnehmer im Rahmen einer Auslandsentsendung ins Ausland versetzen und dabei teils hoch komplizierte steuerliche Fragestellungen zu beurteilen sind. Die Beratung in diesem Zusammenhang verursacht zum Teil erhebliche Kosten. Die Arbeitgeber möchten daher in aller Regel in diesen Fällen den Arbeitnehmern entgegenkommen, in dem sie einen Teil dieser Kosten übernehmen. Es besteht allerdings keine gesetzliche Verpflichtung des Arbeitgebers, auch nicht bei einer Auslandsentsendung und Nettolohnvereinbarung, die Kosten dieser Steuerberatung tatsächlich zu übernehmen. Es handelt sich hierbei um ein Entgegenkommen. Dies ist auch der Ansatzpunkt für Arbeitgeber:
In Zukunft sollte eine Übernahme der Kosten für die Steuerberatung durch den Arbeitgeber im Arbeitsvertrag schlicht davon abhängig gemacht werden, dass der Arbeitnehmer eine vom Arbeitgeber benannte Steuerberatungsgesellschaft auswählt. Dann kann der Arbeitnehmer selber
entscheiden, ob er tatsächlich eine andere, als die vorgegebene Steuerberatungsgesellschaft auswählt, muss die Kosten dann allerdings auch selber tragen.
Aufgrund der oben bereits angedeuteten Tatsache, dass diese Kosten in den meisten Fällen nicht unerheblich sein dürften, wird bei einer entsprechenden Regelung, wie sie oben vorgeschlagen ist, wohl kaum ein Arbeitnehmer sich tatsächlich dafür entscheiden, die Steuererklärung durch
eine andere, als vom Arbeitgeber vorgegebene Steuerberatungsgesellschaft erstellen zu lassen