
Sechs Prozent sind jedenfalls ab 2015 „realitätsfern bemessen“
Der Bundesfinanzhof (BFH) in München hält die hohen Nachzahlungszinsen
für säumige Steuerzahler für derzeit verfassungswidrig. Mit einem am Montag,
14. Mai 2018, veröffentlichten Eilbeschluss setzte er eine Zinsforderung des
Finanzamts zunächst aus (Az.: IX B 21/18). Gegen einen entsprechenden Bescheid
sollten Steuerzahler daher Einspruch einlegen und die Zinsen nur unter
Vorbehalt zahlen.
Im Streitfall hatte der Kläger entsprechend seinen eigenen Angaben für 2009 nur
159.000 Euro Steuern bezahlt. Eine Außenprüfung im Jahr 2017 ergab, dass er
millionenschwere Veräußerungsgewinne nicht angegeben hatte. Das Finanzamt
setzte nunmehr eine Steuer von 2.144.000 Euro fest und verlangte entsprechend
1.985.000 Euro nach. Hinzu kamen noch 241.000 Euro Zinsen.
Laut Abgabenordnung müssen Steuerpflichtige Steuer-Nachforderungen mit einem
halben Prozent pro Monat verzinsen, also sechs Prozent pro Jahr. Der Zinslauf
beginnt allerdings frühestens 15 Monate nach Ablauf des jeweiligen
Steuerjahres, im konkreten Fall wegen einer Spezialregelung sogar erst noch
später, im April 2015.
Angesichts der seit Jahren anhaltenden Niedrigzinsphase halten Kritiker den
Zinssatz für viel zu hoch und letztlich für verfassungswidrig. Für das Jahr
2013 war der III. BFH-Senat dieser Kritik allerdings nicht gefolgt und hatte
die steuerlichen Verzugszinsen noch für rechtmäßig gehalten (Urteil vom 9.
November 2017, Az.: III R 10/16; JurAgentur-Meldung vom 27. Februar 2018).
Zumindest für Verzinsungszeiträume ab 2015 vertrat nun der IX. BFH-Senat die
gegenteilige Meinung. „Die realitätsferne Bemessung der Zinshöhe wirkt in
Zeiten eines strukturellen Niedrigzinsniveaus wie ein sanktionierender,
rechtsgrundloser Zuschlag auf die Steuerfestsetzung“, heißt es in dem
Beschluss. Dies werde noch dadurch verschärft, dass eine frühere Begrenzung der
Dauer der Verzinsung inzwischen aufgehoben worden sei.
Mit seinem jetzt schriftlich veröffentlichten Eilbeschluss vom 25. April 2018
setzte der BFH die Zinsforderung zunächst aus. Das Hauptverfahren ist noch beim
Finanzgericht Köln anhängig, das den Streit schon selbst dem
Bundesverfassungsgericht vorlegen könnte. Wenn nicht, würde dies dann wohl der
IX. BFH-Senat tun.
Dabei weicht der IX. BFH-Senat unter Vorsitz des BFH-Präsidenten und früheren
Verfassungsrichters Rudolf Mellinghoff in seiner Argumentation und Herangehensweise
deutlich vom III. BFH-Senat ab. Ein Einspruch könnte sich daher auch für
Verzinsungsjahre vor 2015 lohnen.