Die Begrenzung des steuerlichen Abzugs früherer Verluste ist auch bei der Gewerbesteuer verfassungsgemäß. Das hat der Bundesfinanzhof (BFH) in München mit zwei am Mittwoch, 5. Dezember 2012, veröffentlichten Urteilen entschieden (Az.: IV R 36/10 und IV R 29/10). Zur Begründung verwies der BFH vor allem auf die Möglichkeit, Steuern im Einzelfall nach „Billigkeit“ niedriger festzusetzen.
Die Gewerbesteuer gilt zwar als auf das Unternehmen bezogene „Objektsteuer“, die Gewinne fließen aber erheblich in die Bemessung ein. Wie bei der Einkommenssteuer können dabei Verluste aus früheren Jahren „vorgetragen“ und mit späteren Gewinnen verrechnet werden. Dies gilt uneingeschränkt aber nur für Gewinne bis zu einer Million Euro. Von dem darüber liegenden Gewinnanteil dürfen dagegen höchstens 60 Prozent durch solche Verlustvorträge aufgezehrt werden; 40 Prozent werden mindestens besteuert. Ziel ist es, den Verlustausgleich auf mehrere Jahre zu verteilen.
Mit Urteil vom 22. August 2012 hatte der Erste BFH-Senat diese sogenannte Mindestbesteuerung für die Einkommenssteuer zumindest dann für verfassungsgemäß gehalten. Dies sei dann der Fall, wenn noch die Möglichkeit besteht, dass die früheren Verluste noch irgendwann später mit Gewinnen verrechnet werden können (Az.: I R 9/11, JurAgentur-Meldung vom 28. November 2012).
In zwei Urteilen vom 20. September 2011 hat nun der Vierte BFH-Senat die Mindestbesteuerung auch dann für verfassungsgemäß gehalten, wenn ein Ausgleich früherer Verluste mit künftigen Gewinnen ausgeschlossen ist. Zur Begründung verwiesen die Münchener Richter zunächst darauf, dass die Gewerbesteuer die Wirtschaftlichkeit eines Unternehmens ohnehin nur ausschnitthaft abbildet und nicht alle Gewinne erfasst. Dieses Argument ist auf die Mindestbesteuerung bei der Einkommenssteuer nicht übertragbar.
Vor allem aber betonte der Vierte BFH-Senat die gesetzliche Möglichkeit einer „Billigkeitsmaßnahme“. Dies ist faktisch eine Härteklausel, nach der das Finanzamt die Steuern im Einzelfall niedriger festsetzen kann, wenn die korrekt berechnete Steuer „unbillig“ wäre. Nur vor diesem Hintergrund sei die stark an typischen wirtschaftlichen Abläufen orientierte Mindestbesteuerung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Dieses Argument würde auch für die Einkommenssteuer gelten; ob es hier allein trägt, hätte aber wiederum der Erste Senat zu entscheiden.
In den nun entschiedenen Gewerbesteuer-Fällen ging es zunächst um einen Flugzeugfonds. Dieser hatte ein Flugzeug verleast. Während der achtjährigen Abschreibungsdauer fielen nur Verluste an, beim anschließenden Verkauf ein hoher Gewinn. Nach dem Verkauf wurde die Fondsgesellschaft aufgelöst, so dass die wegen der Mindestbesteuerung im Verkaufsjahr noch nicht angerechneten Verluste definitiv nicht mehr steuerlich geltend gemacht werden können.
Der BFH hat die Mindestbesteuerung dennoch für rechtmäßig gehalten. Einen Antrag auf eine Billigkeitsmaßnahme hatte die Fondsgesellschaft noch nicht gestellt. Daher bleibt offen, ob auch künstliche, allein zum Zweck der Steuerersparnis geschaffene Unternehmen sich auf Unbilligkeit berufen können.
Im zweiten Fall wollte eine Personengesellschaft ein Baugrundstück sanieren, ist damit aber gescheitert. Das Grundstück wurde wieder verkauft. Weil die Beteiligten ein Insolvenzverfahren vermeiden wollten, baten sie ihre Gläubiger um einen teilweisen Verzicht auf ihre Forderungen. Obwohl die Teilhaber alles in allem nur Verluste hatten, führte der Forderungsverzicht buchhalterisch zu steuerbaren Gewinnen.
Auch hier ist die Mindestbesteuerung anwendbar und verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, urteilte der BFH. Die beantragte Billigkeitsmaßnahme lehnten die Münchener Richter ab. Denn die Gesellschaft habe durch ihre Bitte um Forderungsverzicht die Gewinne selbst ausgelöst; bei der eigentlich fälligen Insolvenz wäre dagegen keine Gewerbesteuer angefallen.