Bundesverfassungsgericht wider die Steuer-Jongleure

Erbschafts-Vergünstigungen für Betriebsvermögen sind zu begrenzen

 

Die Vergünstigungen für Betriebsvermögen bei der Erbschaftsteuer sind überzogen. Die steuerlichen Gestaltungsmöglichkeiten sind mit dem Gleichheitsgrundsatz nicht mehr vereinbar, urteilte am Mittwoch, 17. Dezember 2014, das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe (Az.: 1 BvL 21/12). Es forderte eine gesetzliche Neuregelung bis Mitte Juni 2016. Bis dahin bleiben die Vergünstigungen noch anwendbar.

Die umstrittenen Vergünstigungen wurden 2009 mit dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz eingeführt. Hintergrund ist, dass die Kinder bei der Übernahme eines elterlichen Unternehmens oder maßgeblicher Unternehmensanteile die Erbschaftssteuer häufig nicht zahlen konnten, ohne den Betrieb selbst zu gefährden. Die Vergünstigungen sollten daher den Übergang erleichtern und so die Arbeitsplätze sichern. Vergünstigt sind Betriebe und Betriebsanteile über 25 Prozent.

Der Kläger hatte 2009 insgesamt 51.266 Euro von seinem Onkel geerbt. Das Finanzamt erhob darauf eine Erbschaftsteuer von 9.360 Euro. Mit seiner Klage brachte der Mann grundlegende Bedenken gegen die gesetzlichen Berechnungsgrundlagen vor.

Bezüglich der Vergünstigungen für Betriebsvermögen war der Bundesfinanzhof (BFH) in München dem gefolgt (Beschluss vom 27. September 2012, Az.: II R 9/11; JurAgentur-Meldung vom 10. Oktober 2012). Die damit verbundenen Gestaltungsmöglichkeiten seien eine „verfassungswidrige Überprivilegierung“. Daher legte der BFH die Klage dem Bundesverfassungsgericht vor.

Dies entschied, dass zwar die Ziele des Gesetzgebers generell verfassungskonform sind. Bezüglich der konkreten gesetzlichen Regelungen schloss sich das Bundesverfassungsgericht aber der Kritik der obersten Finanzrichter an. Dabei geht es im Wesentlichen um die Sicherung der Arbeitsplätze sowie um Vergünstigungen auch für reines Verwaltungsvermögen.

Eine Lohnsummenklausel soll sicherstellen, dass es zumindest in den ersten fünf Jahren nach der Erbschaft oder Schenkung keine größeren Entlassungen gibt. Diese Klausel gilt allerdings nur für Betriebe mit mehr als 20 Arbeitnehmern.

Hier fordert das Bundesverfassungsgericht, dass dies auf wirklich kleine „Betriebe mit einigen wenigen Beschäftigten“ begrenzt wird. Denn die Schwelle von 20 Arbeitnehmern erfasse 90 Prozent aller Betriebe. Die gesetzliche Ausnahme von der Arbeitsplatzbindung sei daher tatsächlich die Regel.

Zudem soll der Gesetzgeber die bislang weitreichenden Gestaltungsmöglichkeiten eindämmen. So hatte schon der BFH gerügt, dass es bislang möglich ist, einen Betrieb in eine „Produktionsgesellschaft“ mit gegebenenfalls vielen Mitarbeitern und eine zu vererbende „Besitzgesellschaft“ mit nur wenigen Mitarbeitern aufzuspalten, um so die Lohnsummenklausel zu umgehen.

Im zweiten Kritikpunkt geht es um sogenanntes Verwaltungsvermögen. Das sind beispielsweise vermietete Immobilien, Anteile an anderen Unternehmen, Wertpapiere, Bargeld und Kunst. Nach den bisherigen Regelungen entfällt die Vergünstigung bei der Erbschaftsteuer erst dann, wenn dieses Verwaltungsvermögen mehr als die Hälfte des gesamten Betriebsvermögens ausmacht.

Nach Überzeugung des Bundesverfassungsgerichts gibt es keinen „tragfähigen Rechtfertigungsgrund“ für eine derart hohe Schwelle. Sie sei nicht mit dem Ziel vereinbar „nur produktives Vermögen zu fördern“. Sie sei vielmehr geradezu eine Einladung, privates Vermögen in den Betrieb zu verlagern, um es so der Erbschaftsteuer zu entziehen. Zudem sei es auch hier möglich, Betriebe passend zuzuschneiden und entsprechend aufzuspalten.

Das Bundesverfassungsgericht gab dem Gesetzgeber bis zum 30. Juni 2016 Zeit, das Erbschaftsteuergesetz nachzubessern. Bis dahin bleiben die bisherigen Regelungen in Kraft.

Die Fristenregelung bedeutet auch, dass die Erben von Privatvermögen ihre derzeitige Benachteiligung hinnehmen müssen. Mit Beschluss vom 21. November 2013 hatte der BFH einstweiligen Rechtsschutz gegen Steuerbescheide gewährt, wenn ein nicht-betriebliches Erbe keine baren Mittel umfasst, aus denen die Erbschaftsteuer bezahlt werden kann (Az.: II B 46/13; JurAgentur-Meldung vom Az.: II B 46/13). Dies ist nun hinfällig, weil die derzeitigen Regelungen bis längstens Mitte 2016 gültig bleiben.

Beim Bundesverfassungsgericht gaben drei der acht Richterinnen und Richter ein Sondervotum ab. Sie stimmen dem Ergebnis und auch der Begründung der Mehrheit zu, sehen neben dem Gleichheits- aber auch das Sozialstaatsprinzip verletzt. Eine gerechte Erbschaftsteuer trage dazu bei, die „Konzentration größter Vermögen in den Händen Weniger“ einzudämmen. Steuerliche Vergünstigungen für Bürger, „die unter marktwirtschaftlichen Bedingungen leistungsfähiger sind als andere“ seien nach dem Sozialstaatsprinzip „besonderen Rechtfertigungsanforderungen unterworfen“.


© www.tw-ratingen.de   Donnerstag, 18. Dezember 2014 12:50 TW-Redaktion
© 2025 TW Todesco Walter, Alle Rechte vorbehalten. Impressum | Datenschutz Anmelden