BFH hält Verbot des Werbungskostenabzugs für verfassungswidrigDas Bundesverfassungsgericht muss prüfen, ob Studenten und Auszubildende ihre Aufwendungen für ihre Erstausbildung als Werbungskosten absetzen dürfen. Der VI. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) in München hält in mehreren, am Mittwoch, 5. November 2014, veröffentlichten Beschlüssen, den gesetzlichen Ausschluss des Werbungskostenabzugs für die Erstausbildung für verfassungswidrig (Az.: VI R 2/12, VI R 8/12 und weitere).
Wer ein Studium oder eine andere Ausbildung ohne Einkünfte absolviert oder gerade abgeschlossen hat, sollte daher Belege sammeln und spätestens vier Jahre nach dem jeweiligen Ausbildungsjahr eine freiwillige Steuererklärung abgeben. Nur wer rechtzeitig eine Erklärung abgibt, kann sich für den Fall einer positiven Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts seine Ansprüche sichern, betonte auf JurAgentur-Anfrage die Bundessteuerberaterkammer in Berlin.
Eigentlich können Kosten für die berufliche Aus- und Weiterbildung steuermindernd geltend gemacht werden. Arbeitnehmer können diese als Werbungskosten absetzen, Unternehmer und Selbstständige als Betriebsausgaben. Nach langjährigem Hin und Her von Gesetzgeber und BFH hatte der Gesetzgeber die erstmalige Berufsausbildung oder das Erststudium aber rückwirkend zum Steuerjahr 2004 vom Werbungskostenabzug ausgenommen.
Danach gelten die Kosten der Erstausbildung nur noch als Sonderausgaben. Diese wirken sich aber nur steuermindernd aus, wenn im laufenden Jahr auch Einkünfte zu versteuern waren. Werbungskosten dagegen könnten Steuerpflichtige auch später nach dem Berufseinstieg steuermindernd berücksichtigen lassen.
Geklagt hatten ehemalige Studenten sowie mehrere Piloten. Letztere hatten für ihre Ausbildungskosten jeweils rund 70.000 Euro selbst bezahlt und wollten dies mit späteren Einkünften nach dem Berufseinstieg steuermindernd anrechnen. Die Studenten hatten teils hohe Studiengebühren aufgewandt.
Das Finanzamt verwies jedoch auf die Ende 2011 eingeführte Gesetzesänderung. Aufwendungen für eine Erstausbildung könnten danach grundsätzlich nicht mehr steuermindernd als Werbungskosten geltend gemacht werden. Die Kläger hätten die Aufwendungen ja als Sonderausgaben absetzen können.
So einfach war dies für den VI. Senat des BFH jedoch nicht. Der gesetzliche Ausschluss des Werbungskostenabzugs für Berufsausbildungskosten sei verfassungswidrig. Er legte die gesetzliche Regelung dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung vor.
Da die Ausbildungskosten eine notwendige Voraussetzung für eine nachfolgende Berufstätigkeit seien, seien diese „beruflich veranlasst“. Ein Werbungskostenabzug müsse daher möglich sein. Andernfalls werde gegen das verfassungsrechtliche Gebot der Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit verstoßen.
Die Berufsausbildungskosten gehörten „zum zwangsläufigen und pflichtbestimmten Aufwand“, der nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts „nicht zur beliebigen Disposition des Gesetzgebers“ stehe, mahnten die Münchener Richter. Die Aufwendungen seien daher einkommensteuerrechtlich zu berücksichtigen.
Der Verweis auf den Sonderausgabenabzug reiche nicht aus. Denn dieser sei nur möglich, wenn auch Einkünfte angefallen seien. Studenten und Auszubildende würden während ihrer Ausbildung jedoch typischerweise keine oder nur geringe Einkünfte erzielen. Damit laufe der Sonderausgabenabzug ins Leere.
Mit Urteil vom 5. November 2013 hatte dagegen der VIII. BFH-Senat die Gesetzesänderung noch gebilligt. Der Gesetzgeber habe mit der Gesetzesneufassung lediglich das „langjährige und auch bis 2011 vom BFH anerkannte grundsätzliche Abzugsverbot für Kosten der beruflichen Erstausbildung nochmals bestätigt“ (Az.: VIII R 22/12, JurAgentur-Meldung vom 8. Januar 2014).
Welcher Meinung sich nun das Bundesverfassungsgericht anschließt, ist offen. Studenten und andere Personen in einer Berufsausbildung sollten daher schon jetzt alle Belege sammeln – etwa zu Studien- oder anderen Ausbildungsgebühren, Semesterbeiträgen, Fahrtkosten, PC und Fachbüchern.
Zudem müssen Betroffene rechtzeitig eine Steuererklärung abgeben. „Denn es kann nur von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts profitieren, wer einen offenen Steuerfall hat“, erklärte hierzu auf Anfrage die Hauptgeschäftsführerin der Bundessteuerberaterkammer, Nora Schmidt-Kesseler. Auf dem Mantelbogen der Steuererklärung ist das Feld „Erklärung zur Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags“ anzukreuzen. Gegen eine Ablehnung des Finanzamts müssen Betroffene dann Einspruch erheben und das Ruhen des Verfahrens beantragen. „Dann bleibt der Fall bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts offen“, erklärte Schmidt-Kesseler.
Die Frist für die Abgabe einer „freiwilligen Steuererklärung“ läuft nach vier Jahren aus – Ende 2014 also für das Steuerjahr 2010. Wer seine Ausbildung gerade erst begonnen oder für frühere Jahre ohnehin keine Belege in nennenswerter Höhe mehr greifbar hat, kann sich mit den Steuererklärungen daher bis nach der Verkündung des Bundesverfassungsgerichts Zeit lassen. Ob sich das Einreichen der gesammelten Belege dann lohnt, hängt von dem Karlsruher Urteil ab.