VG Regensburg: Kirche war wegen Wiederverheiratung zu streng
Ein Kirchenmusiker in Elternzeit darf wegen seiner Wiederverheiratung nicht einfach fristlos gekündigt werden. Der besondere Kündigungsschutz nach dem Elternzeitgesetz ist hier höher zu bewerten, als das kirchliche Selbstbestimmungsrecht des kirchlichen Arbeitgebers, entschied das Bayerische Verwaltungsgericht Regensburg in einem aktuell veröffentlichten Urteil vom 9. April 2013 (Az.: RO 9 K 13.212).
Geklagt hatte ein in einer katholischen Kirchenstiftung in der Diözese Regensburg angestellter Kirchenmusiker. Der Mann hatte 1979 seine erste Frau sowohl standesamtlich als auch kirchlich geheiratet. Die Ehe wurde 2001 geschieden, eine Annullierung nach kirchlichem Recht erfolgte allerdings nicht. Ein Jahr zuvor hatte der Kläger seine jetzt zweite, damals noch minderjährige Ehefrau kennengelernt.
Der kirchliche Arbeitgeber erteilte dem Kirchenmusiker wegen der außerehelichen Beziehung zu einer Minderjährigen eine Abmahnung. 2009 bekam das Paar das erste Kind. Der Kläger ging daraufhin in Elternzeit und heiratete die Frau 2010 standesamtlich.
Der kirchliche Arbeitgeber wollte dem Kirchenmusiker nun wegen seiner Wiederverheiratung fristlos kündigen. Da sich der Mann – auch wegen eines mittlerweile zweiten Kindes – noch in Elternzeit befindet, musste nach den gesetzlichen Bestimmungen das hier zuständige Gewerbeaufsichtsamt der Regierung von Mittelfranken der Kündigung zustimmen.
Dies geschah am 17. August 2011. Gegen seine Entlassung erhob der Kirchenmusiker Kündigungsschutzklage, über die noch nicht abschließend arbeitsgerichtlich entschieden wurde. Der Mann ging jedoch auch gegen den Bescheid des Gewerbeaufsichtsamtes vor.
Sowohl die Behörde als auch der kirchliche Arbeitgeber als Beigeladener hatten die Zulässigkeit der fristlosen Kündigung mit dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht begründet. Ein kirchlicher Arbeitgeber habe das Recht, von seinen Funktionsträgern „die Einhaltung der Grundsätze der katholischen Glaubens- und Sittenlehre zu verlangen“. Dazu gehöre auch das Gebot, nicht erneut zu heiraten.
Gerade als Kirchenmusiker und Chorleiter sei man Mitarbeiter des liturgischen Dienstes und damit kirchlicher Funktionsträger, argumentierte der katholische Arbeitgeber. Er dürfe nicht gezwungen werden, sein eigenes religiös geprägtes kirchliches Selbstverständnis aufzugeben und Personen zu beschäftigen, die sich in diametralem Gegensatz zu zentralen Glaubensdogmen setzten“.
Der Kläger wies darauf hin, dass mit der Kündigung sein Recht auf Achtung seines Privatlebens missachtet werde. Die Kündigung sei „unbillig“, da er mit der Wiederverheiratung für sein Kind und die Mutter eine soziale Absicherung habe schaffen wollen. Er habe zudem die Heirat diskret behandelt. Schließlich sei die Kündigung unverhältnismäßig. Denn er übe in der Elternzeit die Beschäftigung derzeit gar nicht aus.
Das Verwaltungsgericht hielt den Bescheid des Gewerbeaufsichtsamtes über die Zulässigkeit der fristlosen Kündigung für rechtswidrig. Nach den gesetzlichen Bestimmungen dürfe während der Elternzeit nur „in besonderen Fällen“ eine Kündigung ausgesprochen werden. Die Wiederverheiratung sei zwar als Loyalitätsverstoß gegen die kirchliche Grundordnung zu werten. Diese reiche hier jedoch nicht aus, um einen „besonderen Fall“ anzunehmen.
Die arbeitsvertraglichen Pflichten des Klägers ruhten während der Elternzeit, so dass sich die „Wiederverheiratung nicht im Rahmen der kirchenmusikalisch-liturgischen Arbeit“ für den Arbeitgeber auswirken könne.
Außerdem habe es die Kirche mit ihren eigenen Prinzipien ebenfalls nicht sehr genau genommen. So habe der Kläger wegen der Beziehung zu seiner damals noch minderjährigen Partnerin eine Abmahnung erhalten. Weitere Schritte seien aber nicht unternommen worden, obwohl der Kläger damit weiter gegen das kirchliche Verbot, nicht die Ehe zu brechen, verstoßen habe.
Der Arbeitgeber habe damit dokumentiert, „dass es einer ausnahmslosen Durchsetzung der sittlichen Ansprüche der Katholischen Kirche zur Wahrung ihrer Glaubwürdigkeit nicht immer bedarf“, so das Verwaltungsgericht in seiner Urteilsbegründung. Schließlich sei das „kirchenlehrwidrige“ Privatleben des Klägers in der Kirchengemeinde „hinlänglich bekannt“.