BFH mildert Schwelle für Lohnsteuerpflicht ab
Arbeitgeber haben künftig mehr Spielraum für betriebliche Feiern und andere Betriebsveranstaltungen. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit zwei am Mittwoch, 9. Oktober 2013, in München veröffentlichten Urteilen die Lohnsteuer-Freigrenze von 110 Euro zwar nicht verändert, dabei ist aber nur noch der „konsumierbare“ Teil der Kosten anzurechnen (Az.: VI R 94/10). Zudem sind die Kosten auf alle Teilnehmer zu verteilen, Angehörige zählen nicht mehr beim jeweiligen Arbeitnehmer mit (Az.: VI R 7/11).
Betriebsveranstaltungen können eine lohnsteuerpflichtige Sachleistung des Arbeitgebers sein, wenn sie nicht nur dem betrieblichen Zusammenhalt und damit den Interessen des Arbeitgebers dient. Als Maßstab wurde in der Rechtsprechung eine Freigrenze von 110 Euro je teilnehmendem Arbeitnehmer entwickelt. Eine teurere Veranstaltung unterlag insgesamt der Lohnsteuer, auch für den Anteil unter 110 Euro.
Steuerpflichtig ist zwar formal der Arbeitnehmer, üblich wird die Steuer aber pauschal vom Arbeitgeber bezahlt.
Mit Urteil vom 12. Dezember 2013 hatte der BFH Steuerverwaltung und Gesetzgeber aufgefordert, die Besteuerung betrieblicher Veranstaltungen nach den aktuellen Verhältnissen neu zu regeln (Az.: VI R 79/10, JurAgentur-Meldung vom 20. Februar 2013). Hierauf haben Gesetzgeber und Verwaltung bislang nicht reagiert. Mit seinen neuen Urteilen vom 16. Mai 2013 hat nunmehr der BFH die bisherigen Regeln entschärft und so mehr Spielraum für betriebliche Feiern geschaffen.
Im ersten Fall hatte eine Unternehmensgruppe ihr 125-jähriges Bestehen groß gefeiert. Die Firma mietete ein komplettes Fußballstadion. Für den 2. September 2005 waren zunächst 686 Gäste aus Wirtschaft und Politik zu einem „VIP-Event“ geladen. Zwei Tage später kam die Mehrzahl der 20.600 Mitarbeiter zum Feiern ins Stadion. Organisiert durch einen „Eventveranstalter“ standen 153 Busse und neun Sonderzüge für die Anreise bereit.
Allein die Mitarbeiterveranstaltung kostete nach Berechnung des Unternehmens gut 1,81 Millionen Euro. So wurden allein 22.098 Liter Softdrinks und Fassbier konsumiert. Weil sich 18.598 Mitarbeiter für die Teilnahme registriert hatten, war die Schwelle von 110 Euro je Teilnehmer nach Einschätzung der Firma noch nicht erreicht.
Nach Einschätzung von Steuerprüfern betrugen die Kosten aber 1,99 Millionen Euro, und nur 15.000 Mitarbeiter hatten die Veranstaltung besucht. Mit 133 Euro je Teilnehmer sei die Freigrenze daher überschritten. Das Finanzamt forderte insgesamt 598.000 Euro Lohnsteuer plus Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer.
Das Finanzgericht Düsseldorf hielt dies für rechtmäßig und entschied am 7. Oktober 2010, dass die Freigrenze von 110 Euro pro teilnehmenden Arbeitnehmer auch bei großen und untypischen Betriebsfeiern gilt (Az.: 16 K 1295/09, 16 K 1297/09 und 16 K 1298/09; JurAgentur-Meldung vom 27. Juni 2011).
In dem Streit änderte der BFH nun seine bisherige Rechtsprechung und gab der Klage des Unternehmens statt. Nach dem neuen Urteil sind „nur solche Kosten des Arbeitgebers einzubeziehen, die geeignet sind, beim Arbeitnehmer einen geldwerten Vorteil auszulösen“. Das seien „nur solche Leistungen, die die Teilnehmer unmittelbar konsumieren können“, insbesondere „Speisen, Getränke und Musikdarbietungen“.
Im zweiten Fall hatte ein Automobilzulieferer seine 340 Mitarbeiter samt Angehörigen zur Betriebsfeier eingeladen. Statt der erwarteten 600 nahmen nur 348 Personen daran teil, davon 164 Mitarbeiter. Die Kosten lagen bei gut 27.000 Euro, davon gut 20.000 für Speisen und Getränke. Nach Einschätzung des Finanzamts war die Freigrenze zumindest bei den Arbeitnehmern überschritten, die in Begleitung erschienen waren und verlangte 4.746 Euro Lohnsteuer nach.
Doch die Frage, ob eine Betriebsfeier durch die Teilnahme Angehöriger zu teuer wird, wird sich künftig nicht mehr stellen. Denn die Kosten sind auf alle teilnehmenden Personen zu teilen, einschließlich der Angehörigen, urteilte nun der BFH. Der auf Familienangehörige entfallende Aufwand sei nicht dem jeweiligen Arbeitnehmer zuzurechnen.