Ordnungsgemäße Buchführung schützt vor statistischer Prüfung

BFH: Finanzprüfer müssen Verfahren und Ergebnisse erläutern

 

Mit einer ordnungsgemäßen Buchführung können sich insbesondere Gastwirte vor überhöhten Steuernachzahlungen schützen. Denn eine übliche Methode der Finanzprüfer für die „Hinzuschätzung“ von Gewinnen, der sogenannte Zeitreihenvergleich, ist dann nicht anwendbar, wie der Bundesfinanzhof (BFH) in München in einem am Mittwoch, 22. Juli 2015, veröffentlichten Urteil entschied (Az.: X R 20/13). Generell muss die Finanzverwaltung danach die von ihr angewandten statistischen Prüfmethoden erläutern.

Im Streitfall einer Gastwirtschaft rügte der Prüfer unter anderem, dass die Kassenbons mit den aufsummierten Tagesumsätzen teils nicht durchgehend nummeriert waren oder keine Datumsangabe enthielten. Zudem fehlten Protokolle für die Programmierung der Kasse. Daher sei von höheren Gewinnen auszugehen, als angegeben.

Für die Hinzuschätzung weiterer Gewinne wandte der Prüfer den Zeitreihenvergleich an. Nach dieser Methode werden die eingekauften Waren nach Wochen zusammengefasst und den jeweiligen Umsatzerlösen gegenübergestellt. Aus dem Verhältnis von Umsatz zu Einkaufskosten wird ein „Rohgewinnaufschlagsatz“ berechnet.

Die Methode ist nach Überzeugung der Finanzverwaltung insbesondere in Betrieben wie der Gastronomie geeignet, in denen es sowohl beim Wareneinsatz wie auch bei den Erlösen zu Manipulationen kommen kann. Schwankungen des Gewinnaufschlags sollen dann auf Unregelmäßigkeiten hindeuten.

Im konkreten Fall setzte der Prüfer den höchsten für einen Zeitraum von zehn Wochen errechneten Aufschlag für das gesamte Jahr an. Während der Gastwirt für 2001 und 2003 Gewinnaufschläge von 228 beziehungsweise 201 Prozent angegeben hatte, errechnete der Prüfer so 242 beziehungsweise 263 Prozent. Dem zu versteuernden Einkommen des Gastwirts schätzte er so gut 10.000 beziehungsweise 35.000 Euro hinzu.

Der BFH bestätigte nun, dass wegen der Unregelmäßigkeiten bei den „Tagesendsummenbons“ und der fehlenden Programmierprotokolle eine Hinzuschätzung zulässig war. Auch hätte der Gastwirt seinen Warenbestand jeweils zum Jahresende nicht nur schätzen dürfen, sondern per Inventur ermitteln müssen, rügten die Münchener Richter. Bei Betrieben wie einer Gastwirtschaft, in denen überwiegend Barumsätze getätigt werden, sei bei solchen Mängeln in der Kassenführung insgesamt nicht mehr von einer ordnungsgemäßen Buchführung auszugehen.

Für die Hinzuschätzung von Gewinnen sei aber der hier gewählte Zeitreihenvergleich besonders problematisch. Denn es sei unrealistisch anzunehmen, dass die Umsätze über das ganze Jahr in einem gleichbleibenden Verhältnis zum Wareneinsatz liegen. Daher führe der Zeitreihenvergleich auch bei einer völlig korrekten Buchführung „immer zu einem Mehrergebnis“.

Daher sei die Grundannahme der Finanzämter fraglich, dass Schwankungen des Rohgewinnaufschlagsatzes immer darauf beruhen, dass der Steuerpflichtige Einnahmen verschweigt. Umgekehrt sei es gerade bei Manipulationen der Kassensoftware problemlos möglich, für einen rechnerisch weitgehend gleichbleibenden Gewinnaufschlagsatz zu sorgen.

Weiter kritisierte der BFH, einzelne „Ausreißer“-Wochen könnten den Zehn-Wochen-Durchschnitt in die Höhe treiben. Ebenfalls ein zu hoher Gewinnaufschlag ergebe sich, wenn umfangreiche Vorratseinkäufe aus dem Zehn-Wochen-Zeitraum ausgeklammert bleiben. Hier seien zudem Besonderheiten im Wareneinkauf zur Betriebseröffnung unberücksichtigt geblieben.

Weiter betonte der BFH, derart komplizierte statistische Berechnungen seien für Laien kaum verständlich. Die Steuerpflichtigen müssten so „Auffälligkeiten“ erklären, ohne aber nachvollziehen zu können, wie diese berechnet wurden. Die Finanzverwaltung müsse daher den Steuerpflichtigen die berechneten statistischen Zahlenreihen nicht nur vorlegen, sondern auch erläutern, forderten die Münchener Richter.

Diese Kritik könne aber nicht dazu führen, dass die Finanzverwaltung komplizierte statistische Prüfmethoden nicht mehr einsetzen darf, heißt es weiter in dem Münchener Urteil. Denn umgekehrt wendeten auch manche Steuerpflichtige hochmoderne Manipulationssoftware an, der mit herkömmlichen Prüfmethoden nicht mehr beizukommen sei.

Dem hier angewendeten Zeitreihenvergleich setzten die obersten Finanzrichter aber Grenzen. Er sei nur für Betriebe zulässig, in denen Wareneinsatz und Erlöse in einem annähernd gleichbleibenden Verhältnis stehen. Auch eine ordnungsgemäße Buchführung schließe die Anwendung aus. Bei Mängeln in der Buchführung müssen die Finanzprüfer soweit möglich andere Methoden anwenden, heißt es in dem Münchener Urteil vom 25. März 2015.

Nach diesen und umfangreichen weiteren Maßgaben soll nun das Finanzgericht Münster die steuerlichen Hinzuschätzungen des Finanzamts nochmals genau überprüfen.


© www.tw-ratingen.de   Mittwoch, 22. Juli 2015 15:40 TW-Redaktion
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