BFH-Leitsatzurteil zum Sicherungsbehalt in der Bauwirtschaft
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat Unternehmen entlastet, die für eine Leistung nicht sofort den vollen Preis vereinnahmen können. Sie müssen die auf den nicht bezahlten Teil entfallende Umsatzsteuer dann nicht über mehrere Jahre vorfinanzieren, wie der BFH in einem am Dienstag, 4. Februar 2014, in München veröffentlichten Urteil zur Bauwirtschaft entschied (Az.: V R 31/12).
Grundsätzlich müssen Unternehmen die in ihren Rechnungen enthaltene Umsatzsteuer bereits mit Erbringung der Leistung abführen. Nur für Freiberufler gilt eine Ausnahme; sie müssen die Umsatzsteuer erst mit Zahlungseingang verbuchen. Andere Unternehmer können die abzuführende Umsatzsteuer nur dann herabsetzen, wenn in Rechnung gestellte Beträge „uneinbringlich“ sind.
In der Bauwirtschaft ist es üblich, dass Kunden von den in Rechnung gestellten Leistungen einen sogenannten Sicherungseinbehalt von fünf bis zehn Prozent abziehen, sofern nicht anderweitige Sicherheiten oder Bürgschaften vereinbart sind. Den Sicherungsbehalt zahlen insbesondere Bauträger dann erst zwei bis fünf Jahre später nach Ablauf von Gewährleistungszeiten.
Im Streitfall hatte ein Bauunternehmer nicht sofort die Umsatzsteuer auf seine gesamte Leistung abgeführt, sondern den Sicherungsbehalt abgezogen. Bei einer Bausumme von beispielsweise einer Million Euro und einem Sicherungsbehalt von zehn Prozent führte er 19 Prozent Umsatzsteuer nur auf 900.000 Euro ab, also 171.000 Euro.
Das Finanzamt war damit nicht einverstanden. Es meinte, es werde sofort die volle Umsatzsteuer auf die ganze Million fällig, also 190.000 Euro.
Mit seiner Klage argumentierte der Bauunternehmer, er erhalte den Sicherungsbehalt und auch die darauf entfallende Umsatzsteuer erst nach mehreren Jahren. Die Steuer – im Beispiel immerhin 19.000 Euro – könne er nicht über so lange Zeit vorfinanzieren.
Mit seinem jetzt schriftlich veröffentlichten Leitsatzurteil vom 24. Oktober 2013 gab der BFH ihm recht. Die Umsatzsteuer sei eine Verbrauchssteuer. Sie werde vom Unternehmer „für Rechnung des Staates“ vereinnahmt. Insbesondere nach EU-Recht solle sie die Unternehmen aber nicht belasten.
„Mit diesem Charakter der Umsatzsteuer ist eine Vorfinanzierung über mehrere Jahre nicht zu vereinbaren“, erklärten die Münchener Richter. Daher sehe EU-Recht auch bei einer „teilweisen Nichtbezahlung“ einer Rechnung eine entsprechende Minderung der Umsatzsteuer vor. Auch vor dem Hintergrund des Gleichheitssatzes sei eine sofortige Steuerpflicht bedenklich.
Daher sei von einer „Uneinbringlichkeit“ des Rechnungsbetrags im Umfang des Sicherungsbehalts auszugehen, urteilte der BFH. Der Bauunternehmer könne daher die abzuführende Umsatzsteuer entsprechend mindern, bis der Kunde den Sicherungsbehalt zahlt. Konkret soll dies nun das Finanzgericht noch prüfen und berechnen.
Offen bleibt, ob die neue BFH-Rechtsprechung übertragbar ist, etwa auf Ratengeschäfte.