Urteil ohne Datumsvermerk erst mit Briefkastenleerung zugestellt

BFH: Zustelldatum muss für Empfänger eindeutig sein

Ein amtlich zugestelltes Gerichtsurteil ohne Datumsvermerk auf dem Umschlag gilt erst an dem Tag als zugestellt, an dem der Empfänger es in den Händen hält. Dieser Tag ist dann auch maßgeblich für die Rechtsmittelfrist, wie der Große Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) in München in einem am Mittwoch, 18. Juni 2014, veröffentlichten Beschluss entschied (Az.: GrS 2/13).

Gerichtsurteile werden meist per Post amtlich zugestellt. Wenn der Empfänger nicht anwesend ist, reicht es aus, dass es in den Briefkasten des Empfängers geworfen wird. Der Postbote muss dann aber einen Vermerk auf dem Umschlag machen, wann er diesen eingeworfen hat. Dieses Datum teilt das Postunternehmen dann auch dem Absender mit.

Im Streitfall hatte der Briefträger einen Brief mit dem Urteil eines Finanzgerichts am Mittwoch, 24. Dezember 2008, bei einer Rechtsanwaltskanzlei eingeworfen. Erst nach den Weihnachtsfeiertagen und einem Wochenende wurde der Brief am Montag, 29. Dezember 2008, aus dem Briefkasten geholt. Am 27. Januar 2009 legten die Anwälte Revision beim BFH ein.

Ob damit die einmonatige Rechtsmittelfrist verpasst war, wird von den Senaten des obersten Finanzgerichts unterschiedlich gesehen. Daher hatte nun der Große Senat zu entscheiden, in dem sämtliche Senate vertreten sind.

Der entschied sich nun für die weniger strenge Variante. Wegen der großen Bedeutung für die Rechtsmittelfristen müsse der Tag der Zustellung eindeutig bestimmt werden können. Beim bloßen Einwurf in den Briefkasten müssten daher „alle Förmlichkeiten“ beachtet werden. Werde ein Datumsvermerk vergessen, komme es für den Fristbeginn darauf an, wann der Empfänger das Schriftstück tatsächlich in die Hand bekommen habe.

Nach dem jetzt schriftlich veröffentlichten Beschluss vom 6. Mai 2014 war im Streitfall damit die Frist gewahrt, und der VIII. Senat des BFH muss sich nun inhaltlich mit der gegen einen Einkommensteuerbescheid gerichteten Klage befassen.

Nach einer früheren BFH-Entscheidung können sich Rechtsanwälte allerdings nicht auf den eigenen Eingangsstempel berufen, wenn ein Schriftstück nachweislich schon früher – aber nach Feierabend in der Kanzlei – eingeworfen wurde (Beschluss vom 28. Dezember 2010, Az.: III B 178/09, JurAgentur-Meldung vom 31. März 2011).


© www.tw-ratingen.de   Mittwoch, 25. Juni 2014 17:13 TW-Redaktion
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