BAG: Arbeitgeber muss keinen höheren Grundlohn zahlen
Arbeitgeber dürfen zum Erreichen des gesetzlichen Mindestlohnes Weihnachts- und Urlaubsgeld mitzählen. Voraussetzung hierfür ist, dass die Sonderzahlung von der tatsächlich erbrachten Arbeitsleistung abhängt, urteilte am Mittwoch, 25. Mai 2016, das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt (Az.: 5 AZR 135/16). Um den so berechneten Mindestlohn pünktlich – entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen im Folgemonat – zahlen zu können, muss das Weihnachts- und Urlaubsgeld auf zwölf Kalendermonate verteilt werden.
Im entschiedenen Rechtsstreit hatte eine Beschäftigte einer Krankenhaus-Cafeteria in Brandenburg an der Havel geklagt. Die Frau verdiente dort zunächst ein Grundgehalt in Höhe von 1.391 Euro monatlich und lag damit knapp über einen Stundenlohn von acht Euro. Zusätzlich erhielt sie Zuschläge für Sonn- und Feiertagsarbeit sowie für Nachtarbeiten und Überstunden. Jeweils im Mai und November eines Jahres zahlte der Arbeitgeber Urlaubs- und Weihnachtsgeld.
Als 2015 der gesetzliche Mindestlohn eingeführt wurde, einigte der Arbeitgeber sich mit dem Betriebsrat in einer Betriebsvereinbarung darauf, dass Urlaubs- und Weihnachtsgeld anteilig auf zwölf Monate verteilt ausgezahlt wird.
Auf diese Weise wurde der Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde erreicht. Die Zuschläge berechnete das Unternehmen aber weiterhin nach dem vorher vereinbarten niedrigeren Grundlohn.
Damit war die Beschäftigte nicht einverstanden. Sie meinte, dass ihr Urlaubs- und Weihnachtsgeld zusätzlich zum gesetzlichen Mindestlohn zustehen müsse. Auch die Zuschläge müssten nach den 8,50 Euro und nicht nach dem niedrigeren vertraglichen Grundlohn nun berechnet werden.
Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hielt das Vorgehen des Arbeitgebers weitgehend für zulässig. Da mit der Berücksichtigung von Weihnachts- und Urlaubsgeld der Mindestlohn erreicht sei, könne die Mitarbeiterin auch keinen höheren Grundlohn verlangen, heißt es in dem Urteil vom 12. Januar 2016 (Az.: 19 Sa 185/15; JurAgentur-Meldung vom 27. Januar 2016). Danach sind Betriebsvereinbarungen wirksam, mit denen Sonderzahlungen auf die Monate umgelegt werden, um so den Mindestlohn zu erreichen.
Auch die Zuschläge für Sonn- und Feiertagsarbeit und für Überstunden dürften nach dem niedrigeren Grundlohn berechnet werden. Dies sei schließlich so vertraglich vereinbart worden. Nur bei den Nachtzuschlägen sehe das Gesetz als Maßstab die Bruttoarbeitsvergütung vor. Dies sei hier der Mindestlohn.
Das BAG bestätigte nun diese Entscheidung. Urlaubs- und Weihnachtsgeld zählten zum Mindestlohn mit, wenn dieses abhängig von der tatsächlich erbrachten Arbeitsleistung gezahlt wird. Dies sei hier der Fall, da die Sonderzahlung sich nach den tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden richtet. Auch höhere Lohnzuschläge könne die Klägerin – mit Ausnahme des Nachtzuschlags – nicht beanspruchen. Denn die Zuschläge richteten sich vertraglich nach dem zuvor vereinbarten niedrigeren Grundgehalt. Der gesetzliche Mindestlohn verändere diesen Anspruch nicht. Er stehe vielmehr „als eigenständiger Anspruch“ neben den Arbeits- und Tarifverträgen.
Zulässig war es auch, dass der Arbeitgeber nach der Betriebsvereinbarung das Urlaubs- und Weihnachtsgeld nun auf zwölf Monate aufteilte, so das BAG. Hätte der Arbeitgeber die Sonderzahlung weiterhin nur zweimal im Jahr geleistet, wäre er mit dem Gesetz in Konflikt geraten.
Denn als Teil des gesetzlichen Mindestlohns muss dann auch die Sonderzahlung entsprechend dem Mindestlohngesetz immer im Folgemonat ausgezahlt werden. Hält sich der Arbeitgeber nicht daran, drohen Bußgelder vom Zoll. Der Arbeitnehmer kann zudem Verzugszinsen geltend machen.
Zu tariflichen Mindestlöhnen hatte das BAG bereits ebenfalls entschieden, dass alle Lohnbestandteile in den Mindestlohn eingerechnet werden dürfen, mit denen die „Normalleistung“ des Arbeitnehmers abgegolten wird (Urteil vom 18. April 2012, Az.: 4 AZR 139/10 und 4 AZR 168/10; JurAgentur-Meldung vom Folgetag). Ähnlich urteilte der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg, dass alle Zahlungen einzurechnen sind, die als unmittelbare Gegenleistung für die Arbeit gelten.